Die Alpha-Suche – Gott biologisch betrachtet
Ich möchte mal einen sicher sehr polarisierenden, philosophischen Exkurs zur Diskussion stellen, der sich aus den fünf biologischen Naturgesetzen ergibt.
Es soll zeigen wie weit die Ableitungen aus den Naturgesetzen gehen und wie tiefgründig viele Vorstellungen in unserer Gesellschaft durch grundlegende biologische Neigungen geprägt sind.

Die Suche nach dem Alpha, dem Rudelführer, ist natürlich eng mit der postmortalen Konstellation bzw. dem “Revierverlust”-Konflikt verknüpft, eine Situation in der man selbst in der Fortpflanzungs-Rangordnung zurückgesetzt ist, daher das Bildchen rechts.

postmortal revierverlust cortex großhirnrinde revierbereiche

Jede Gruppe hat den Wunsch einen perfekten Rudelführer zu haben der einem Sicherheit gibt, der alles regelt, der über alles erhaben ist, der einen rettet.
Und genau diese Figur ist in unserer Gesellschaftsform fast nicht mehr zu finden, da es keine wirklichen “Alphas” mehr gibt. Und dies ist der Punkt wo unser Bedürfnis nach diesem idealen Anführer die Idee des Gottes erschafft.
Der allmächtige Rudelführer wird herbeigesehnt.

Um es gleich vorweg zuschicken: dieser Text stellt nicht die Existenz eines Gottes in Abrede. Es wird lediglich aufgezeigt, dass die weitverbreitete genaue Vorstellung von Gott durch biologische Neigungen bedingt ist.

So sind die Wünsche in Gebeten doch eigentlich jene, die man an seinen Rudelführer hat. Man bittet um Hilfe, um Rettung, um das gute Regeln von bevorstehenden Vorgängen, um Schutz uvm.
Alles Aufgaben die in der Natur vom Alpha betraut sind.

Wie jedes Kind seinen Papa für den besten hält, jeder seinen Fußballclub für den besten hält, so hält auch jeder seinen Gott für den besten und einzigen, und in allen drei Punkten ist dies auch nicht zu diskutieren und unbestreitbar!

So ziehen unterschiedliche “Rudel”, vom Willen des scheinbar einzigen Gottes angetrieben in den Krieg. Diese einzige Gott soll immer alles gut machen und in jeder Lebenslage zu einem positiven Ausgang verhelfen. Doch wird dabei ignoriert, dass die Gegner ebenfalls ihren Gott haben, der die gleichen Attribute besitzt. Doch können im Kampf niemals alle gewinnen. Wie könnte ein Gott, der immer alles gut enden lässt, eine Seite der Auseinandersetzung leiden lassen?

Ersetzt man die Gottesvorstellung durch einen Alpha-Wolf, der nur das Interesse hat die Arterhaltung seines Rudels zu sichern, dann ergibt das, was man sieht, biologisch gesehen, wieder Sinn. Der biologische Rudelführer schert sich nicht um die anderen Rudel, sondern nur um das eigene und dessen Wohlergehen und Arterhaltung.

Die Religion fördert auf diese Weise sehr den Zusammenhalt, jedoch nur innerhalb der Gruppe die das gleiche Bild von Gott hat, also biologisch übersetzt dem gleichen Alpha zugehörig ist.

So wundert es nicht, dass viele Menschen eine personifizierte Vorstellung von Gott haben, die auch genau an den Richtlinien eines biologischen Alphas orientiert ist:
Demnach ist Gott in den Vorstellungen natürlich ein Mensch, und dabei natürlich auch, wie es sich für einen Anführer gehört, ein Mann. Und zwar einer mit viel Erfahrung (weißer Rauschebart). Beste Voraussetzungen für den Schutz des Rudels. Obendrein wird Gott von vielen auch “Vater” genannt, vermutlich nicht ohne biologischen Grund.

Zum Folgenden kann gar nicht oft und deutlich genug betont werden, dass Konflikte nichts Negatives sind, dass Konstellationen kein Zeichen von Schwäche sind, dass niemand weniger wert ist, wenn er mehr am laufen hat oder dergleichen. (Die Grafik vom internen Forum ist nur ein Spaß, der sich genau über diese Vorstellungen lustig macht.)
Speziell die Revierbereiche dienen nur dazu die Rangfolge zu bestimmen, nicht aber um jemanden als Wesen herabzusetzen. Die Rangfolge wird auch in der Art und Weise geregelt, dass jeder mit seiner Rolle zufrieden ist. Ich bin auch durchkonstelliert bis aufs letzte Relais und glücklich damit. Allein die Vorstellung, dass dies ein Makel wäre, lässt viele Menschen in der Szene glauben dass es ein Zeichen von Minderwertigkeit wäre. Das stimmt nicht – siehe 5. Naturgesetz. Alles ist sinnvoll, oder zumindest entwicklungsgeschichtlich verstehbar sinnvoll.

Die postmortale Konstellation tritt in einer Situation auf, in der man seiner biologischen Daseinsberechtigung nicht mehr uneingeschränkt nachkommen kann. Die Rede ist von der Arterhaltung. Das Streben ist selbstverständlich als Alphamännchen das Alphaweibchen zu besamen, bzw. als Alphaweibchen vom Alphamännchen besamt zu werden. Wird man in irgendeiner Weise im Leben in der Fortpflanzungsrangfolge zurückversetzt, sprechen wir vom “Revierverlust” oder vom “Sexuellen Frustrationskonflikt”. Ab diesem Moment ist es einem nicht mehr gestattet oder möglich sich mit dem Alphamännchen bzw. Alphaweibchen zu paaren. Das heißt man kann dem eigentlichen biologischen Lebenszweck, der Fortpflanzung, nicht mehr auf ideale Weise nachkommen. Man nimmt sich vielleicht den zweitbesten oder den fünftbesten Sexualpartner, welcher ein Ersatz mit Kompromissen ist, aber alles erträglich macht. Oder im schlimmsten Falle verliert man die Möglichkeit zur Fortpflanzung gänzlich.

Dies ist dann der Zustand in dem man den Sinn des Lebens in Frage stellt. Man beginnt eine Sinnsuche oder verliert die Lust am Leben. Im intensivsten Falle bis zum Selbstmord.
Auf Basis dessen lässt sich spekulieren, dass Menschen, die keine Sinnsuche notwendig haben entweder im Sinne der Arterhaltung sehr erfüllt sind oder so stark retardiert sind, dass etwas derartiges nicht auf ihrem Schirm ist.
Oder aber auch die Kleinhirnkonstellation ist so sehr präsent, dass die Postmortalität egalisiert wird, da dem Kleinhirnkonstellierten mehr oder weniger alles egal ist, und dementsprechend kein Grund existiert sich Gedanken über solche Dinge zu machen.

In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die Personen, die sich am allermeisten auftackeln und herausputzen um mit sexuellen Hintergedanken auf sich aufmerksam zu machen, mit Alphas nichts zu tun haben, ganz im Gegenteil. Der Alpha hätte dies überhaupt nicht nötig. Die Auftackelei passiert ja in der postmortalen Konstellation, wenn man dadurch gleichzeitig auch Nympho oder Casanova ist. Also quasi ein kompensatorischer Akt für die Herabsetzung in der Begattungsrangfolge.

Die Sinnsuche in der postmortalen Konstellation führt auch soweit, dass man sehr anfällig dafür ist auf alle möglichen Rettungsversprechen hereinzufallen und unbedacht jeden Strohhalm ergreift.
Marco Pfister sagte mal im April 2009 auf einem Seminar: “Ich kann am HirnCT erkennen ob jemand in einer Sekte ist”.

Dies geht auch mehr oder weniger Hand in Hand mit der Suche nach dem perfekten Alpha, nach dem Gott der alles perfekt regelt und mich in Sicherheit wiegt. Andere Leute gehen zu ihrem esoterischen Guru, Yogi oder sonstigen als erleuchtet angesehenen Personen, die als “persönlicher Draht zu Gott” gesehen werden. Diese Personen sollen ebenfalls den Alpha ersetzen – sie geben der Person Halt im Leben, eine gute Zukunftsaussicht und ähnliches. (Wobei der wie auch immer geartete Guru wohl in erster Linie Kleinhirnkonstelliert ist, dass er das Glück hat, dass ihm alles mehr oder weniger egal ist, und er dementsprechend leicht reden hat.)

Wie ist die Hoffnung, die in einen “Aufstieg” gesetzt wird, biologisch zu betrachten? Stichwort 2012.
Es wird eine Erlösung der hier stattfindenden Misere erhofft, wobei die Misere natürlich die Menge der niederschmetternden biologischen Konflikte ist. Allen voran vermutlich wieder die postmortale Konstellation?

Doch wie kann ein “goldenes Zeitalter” mich von meinen biologischen Konflikten erleichtern? Ein Land in dem “Milch und Honig fließen” kann natürlich existenzielle Brockenthematiken lösen. Doch ich wette, egal wie golden ein Zeitalter ist, die Kämpfereien um die Rangordnung im Rudel und um die besten Begattungsplätze werden niemals enden, solange biologische Wesen beteiligt sind, die zum Überleben auf Arterhaltung angewiesen sind. Und neben existenziellen Themen beruhen die größten Komplikationen unserer Gesellschaft doch auf “gebrochenen Herzen” der Liebe wegen, oder nicht? Die Streitereien um Sexualpartner, Fremdgehen, verlassen werden, lauter Themen die auf biologischer Grundlage nicht enden können und viel Leid bescheren. Solange wir in diesen biologischen Körpern stecken führt da kein weg dran vorbei – außer die Natur lässt sich völlig neue Wege zur Fortpflanzung einfallen oder diese würde anderweitig hinfällig.

Braucht eine richtige Führungsperson einen Gott? Beobachten Sie es mal.
Nimmt das Bedürfnis an einem unsichtbaren Überalpha ab, je höher die Person selbst in der Hierarchie ist?
Dazu sei natürlich wichtig zu wissen, dass es in unserer Gesellschaft kaum mehr echte Alphas gibt. In der Natur wird der Alpharang durch physische Kämpfe erhalten. Bei uns kann man sich mit einer ausgeprägten Mythomanie und Megalomanie in alle hohen Ämter quasseln, lügen und hochstapeln. Die Hierarchien in unserer Gesellschaft haben in ihrem Zustandekommen also nichts mehr mit wirklichen biologischen Hierarchien zu tun.

Mit diesem Exkurs wollte ich einen Gedankenanstoß geben um den Blick auf das alltägliche Geschehen durch die biologische Brille zu schärfen. So sind viele als völlig normal erscheinende Neigungen der Menschheit rein biologisch bedingt. Und viele Bedürfnisse sind weniger intellektuell bedingt als biologisch für dieses Individuum notwendig.
Diskussion in den Kommentaren erwünscht.

Links:
Das Regelwerk der Revierbereiche

Die postmortale Konstellation

Nicht direkt biologisch relevant; aber interessant und relevant für das Zustandekommen vieler Gottesbilder: Video Götterdämmerung